Mit Karacho gegen die Wand

von Georg Kasch

Heidelberg, 24. April 2018. Wenn man ein Festival wie den Heidelberger Stückemarkt über Jahre begleitet, ergeben sich ein paar schöne Querverbindungen. Dann entdeckt man ein Stück, das mal im Wettbewerb lief, Jahre später als Gastspiel wieder. Und merkt, dass das, was als Lesung ein Versprechen war, sich im Theateralltag einlöst. Sergej Gößners "Mongos" ist so ein Fall: 2016 war es im Wettbewerb, jetzt läuft die Uraufführung vom Theater Magdeburg im JugendStückeWettbewerb. Berührend erzählt der Text von zwei Jungs, die sich in der Rehaklinik begegnen: Ikarus ist querschnittsgelähmt, Francis hat Multiple Sklerose. Eine angenehme Mischung aus "Ziemlich beste Freunde" und "Tschick".

Neuer Drive

Während Ikarus, aus dessen Perspektive erzählt wird, als testosteronschwangerer Nachwuchsmacho die cooleren Sprüche hat, bleibt Francis sein rätselhaftes Pendant: ein Nachdenker, Dichter, vermutlich schwul. Was vor allem insofern von Bedeutung ist, als dass die Homophobie eine von vielen Gedankenlosigkeiten ist, mit denen sich Ikarus selbst im Weg steht.

Pointenreich hat Gößner das aufgeschrieben, schnell und pur Grit Lukas das am Theater Magdeburg inszeniert: Im leeren Raum gibt es nur die zwei Schauspieler, ein bis zwei Rollstühle, Krücken, wenige Requisiten. Der Rest sind Verwandlung, Choreografie, stimmige Übergänge: Alexander von Säbel, der den ruhigen Francis spielt, wird mit präzisen Gesten, mit Brille und Block zum "Psycho"(logen), mit Mütze und Pferde-T-Shirt zum Loveinterest Jasmin. Wenn also auf der Spielebende zwei Männer miteinander rummachen, bekommt der Diskurs darüber, was einen Menschen ausmacht, neuen Drive.

Mongos 01 700 Nilz Boehme uBoys just wanna have fun: Philipp Quest und Alexander von Säbel © Nilz Böhme

Als leicht prolliger Spaßjunkie Ikarus pumpt Philipp Quest dazu erstaunlich nuanciert ordentlich Energie in den Abend, ein Sympathieträger, der sein pubertäres Emotionsleben mit Vollkaracho gegen die Wand fährt. In dem Zusammenhang wirken dann auch die ausgestellte political incorrectness nachvollziehbar, all die "Mongos"-, "Spast"- und "Schwuchtel"-Rufe: Weil sie die Jugendlichen im Publikum einerseits abholen und Ikarus charakterisieren, die Begriffe andererseits ziemlich geschickt nebenbei entsorgen, ohne den Zeigefinger allzu deutlich hochzukurbeln.

Denn Ikarus beginnt zu begreifen. Zum Beispiel, dass man Leben nicht wiederholen kann. Nicht mal in der Fiktion. Gegen Ende versucht er es, fordert seinen Mitspieler auf, noch mal von vorn anzufangen. Der lässt sich widerstrebend drauf ein, leiert die Sätze runter, pampt zunehmend aggressiv zurück, bricht ab. Leben geht nur vorwärts, und das heißt eben auch: Fehler lassen sich nicht auslöschen. Man kann allenfalls aus ihnen lernen.

 

Mongos
von Sergej Gößner
Regie: Grit Lukas, Bühne und Kostüme: Nadine Hampel, Dramaturgie: Laura Busch.
Mit: Philipp Quest, Alexander von Säbel.
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause
www.theater-magdeburg.de